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Berlin-Tempelhof soll lebendiges UNESCO Weltkulturerbe

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Juristerei statt Fakten

Konsensbeschluss und juristische Gefahr für BBI - was dahinter steckt

kippender Paragraph

Juristerei statt Fakten

Konsensbeschluss und juristische Gefahr für BBI - was dahinter steckt

Immer wieder heißt es in den Aussagen der Berliner Landesregierung, der Erhalt des Flughafens Tempelhof gefährdet den Bau des neuen Großflughafens BBI. Hier soll einmal erklärt werden, was dahinter steht.

Vorgeschichte

Beginnen wir mit dem historischer Hintergrund. In der Nachwende-Euphorie nach dem Jahr 1990 wurde von verschiedenen Seiten, u.a. dem damaligen Lufthansa Chef Heinz Ruhnau vorgeschlagen, die damals bestehenden drei Berliner Flughäfen durch einen neuen "Single Airport" von internationalem Maßstab zu ersetzen. Die Idee stieß an vielen Stellen auf offene Ohren, schließlich hatte noch einige Jahre zuvor US Präsident Ronald Reagan - sehr zum Schrecken der Anwohner - vorgeschlagen ein Internationales Luftkreuz in Berlin (West) zu erreichten.

Ein Neubau schien vernünftig und dabei für alle nur Vorteile zu bringen: Wirtschaftlicher Aufschwung und Arbeitsplätze für die Region, Förderung der regionalen Bauindustrie, Konzentration der Fluggesellschaften auf einen Standort, Entlastung für die Anwohner, und und und ...

Relativ zügig wurde 1994 in Brandenburg ein Raumordnungsverfahren gestartet, das die vorgesehenen Standorte Jüterbog, Sperenberg und Schönefeld bewerten und eine Entscheidung für einen Standort vorbereiten sollte. Erkenntnis des Verfahrens war unter anderem, dass der heutige BBI Standort in Schönefeld in planerischer Hinsicht der ungeeignetste ist. Die dennoch erfolgte Entscheidung für Schönefeld war dann wohl auch eine politische.

Der Konsensbeschluss

Im so genannten "Konsensbeschluss" einigten sich darauf die drei Gesellschafter der Berlin Brandenburg Flughafen Holding (BBF), dies sind das Land Berlin, das Land Brandenburg und der Bund, auf den Ausbau eben jenes (eigentlich ungeeigneten) Flughafens Schönefeld. Parallel dazu sollen nacheinander der Flughafen Tempelhof mit rechtskräftigem Planfeststellungsbeschluss, und Tegel mit Inbetriebnahme des neuen Flughafens Berlin Brandenburg International (BBI) geschlossen werden. Zu diesem Zeitpunkt sahen die Planungen wirklich einen Großflughafen mit vier parallelen Start- und Landebahnen vor.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass es sich bei diesem Beschluss weder um ein Gesetz, auch nicht um einen Parlamentsentscheid, sondern einzig um einen Vertrag der Gesellschafter handelt. Immer wieder wird in diesem Zusammenhang auch der Verdacht geäußert, dass die Schließung Tempelhofs der politische Preis für die Standortwahl in Schönefeld war. Hinzu kommt sicherlich auch noch, dass man damals eine private Finanzierung des Airport-Neubaus anstrebte und den Investor auch mit einer Monopolrendite locken wollte.

Die objektive Konkurrenz

Der neue Flughafen BBI wird vorerst zwei Landebahnen mit 3,6 und 4 km Länge erhalten. Er wird in zwei Ausbaustufen auf eine Kapazität von 25 und später 40 Mio. Passagieren ausgelegt sein.

Demgegenüber verfügt der Flughafen Tempelhof über zwei Landebahnen von 1,8 und 2,1 km Länge. Nach den Planungen aus dem Jahr 1934 ist er für bis zu 6 Mio. Passagiere ausgelegt. Dieser Wert wurde während der "Mauerzeit" mit 5,5 Mio. fast erreicht. Die aktuellen Planungsunterlagen sprechen von 1,5 Mio. Der bisher höchste Wert nach der "Wende" wurde im Jahr 1993 mit rund 1,1 Mio. Passagieren erreicht.

Man kann anhand dieser Zahlen unschwer erkennen, dass Berlin-Tempelhof niemals auch nur annähernd eine Konkurrenz für BBI wäre. Aufgrund der Landebahnlänge können in Tempelhof im Linienverkehr maximal Flugzeuge vom Typ Boeing 737 oder Airbus 320 landen. Auch die Abfertigungskapazitäten reichen nicht im Entferntesten an die von BBI heran. Aus diesem Grund wird dafür plädiert, Tempelhof als Heimat der "General Aviation" und ggf. Regional-Propeller-Flugzeuge offen zu halten. Diese würden aufgrund der notwendigen Staffelung zur Großluftfahrt die Kapaität von BBI sogar überproportional reduzieren.

Es ist also tatsächlich ein Vergleich zwischen einem Segelschiff und einem Passagierdampfer, wenn behauptet wird, Tempelhof wäre eine Konkurrenz für BBI.

Die juristische Gefahr

Vor allem dieser Bereich wird vom Berliner Senat gerne in den Vordergrund gestellt, er ist aber auch unter den Juristen umstritten. Je nach Auftraggeber kamen Rechtsgutachten zu gegenteiligen Ergebnissen. Es lohnt daher durchaus, sich einmal selber mit der Materie zu befassen.

Wenn man sich die Planungsgeschichte für den Flughafen BBI ansieht, so ist diese alles andere als ein Ruhmesblatt für die beteiligten Behörden und Juristen.

Die Argumentation der Schließungsverfechter gründet sich vor allem auf die "juristische Gefahr" für BBI. Im "Landesentwicklungsplan Flughafenentwicklung (LEP FS)" hatten die Bundesländer Berlin und Brandenburg im Jahr 2006 - nach vielen gescheiterten Vorversuchen - festgelegt, "Mit Inbetriebnahme der Kapazitätserweiterung am Standort Schönefeld sind die Flugplätze Berlin-Tegel und Berlin-Tempelhof zu schließen und ihre Flächen einer anderen Nutzung zuzuführen." (Abschnitt II, Z 1). Diese Aussage wird auch immer wieder von schließungsfreundlichen Abgeordneten zitiert.

Man kann gut verstehen, dass die Juristen heutzutage an keinem Rütteln mehr interessiert sind, denn sie hatten mit ihren Plänen bis dahin reihenweise gerichtliche Niederlagen einzustecken. Und auch dieser Landesentwicklungsplan erinnert in seinem Erscheinungsbild eher an einen Brandenburger Werbeprospekt als an eine Rechtsnorm. Immerhin wurde er von beiden Ländern per Rechtsverordnung im Mai 2006 in Kraft gesetzt.

Auf eben jenen Landesentwicklungsplan beruft sich nun die von der Flughafengesellschaft beantragte Planfeststellung, die gewissermaßen das Planungsziel umsetzen soll. Über diese wurde abschließend am 16.03.2006 vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden.

Das Gericht hat im Wesentlichen festgestellt, dass beim Bau von BBI der Nachteil der Belastung der Anwohner von Schönefeld durch eine Entlastung an anderer Stelle gerechtfertigt sein muss. Daraus resultiert auch die Argumentation des Senates: Bleibt Tempelhof auf, kippt BBI.

Bei der konkreten Ausgestaltung billigt das Gericht den Behörden allerdings einen erheblichen Entscheidungsspielraum zu. Zu der o.g. Passage im Landesentwicklungsplan sagt es in seinem Urteil ausdrücklich unter der Randziffer 100: "Bei verständiger Lesart beanspruchen die Zielvorgaben in Z 1 jedoch keine derart weitgehende Bindung. Sie sind nicht im Sinne einer Realisierungspflicht zu verstehen.".

Letztendlich basiert die Planfeststellung also darauf, daß der Verkehr im Wesentlichen nach Schönefeld verlagert wird, es gibt aber keine Notwendigkeit, dies absolut und vollständig zu tun.

Fazit

Meine Persönliche Auffassung ist inzwischen, dass die Behördenjuristen mit ihrer Landesplanung wohl etwas voreilig und unüberlegt waren. Man hat der Einfachheit halber die Schließung des Flughafens Tempelhof versprochen wurde, ohne dass dies sachlich notwendig oder durch den politischen Willen der Berliner Bevölkerung gedeckt wäre.

Objektiv gesehen gibt es keinen Grund für die Schließung von Tempelhof. Wenn die Berliner Landesregierung auf ihren Schließungsplänen beharrt, dann tut sie dies nur aus juristischen Überlegungen und nicht zuletzt auch deswegen, weil sie sich nicht traut, frühere Fehler zuzugeben. Immerhin wäre ja auch die Entlastungswirkung für die Berliner durch die Schließung auch kaum der Rede wert.

Es wäre aber geradezu tragisch, wenn ein so geschichtsträchtiges Denkmal wie der Flughafen Tempelhof nur deswegen aufgegeben wird, nur weil Juristen einen Fehler gemacht haben. Hier kann eigentlich nur die Meinung des Bürgers als Souverän zum Tragen kommen. Wenn die Berliner nicht von Tempelhof "entlastet" werden wollen, dann soll dies auch nicht geschehen.

Im Übrigen sei hier auch noch einmal festgestellt, dass Erwägungen wie Denkmalschutz, historischer Wert, u.ä. in den Unterlagen zum BBI-Verfahren nie eine Rolle gespielt haben. Wenn jetzt eine breite Mehrheit im Rahmen des laufenden Volksbegehrens für den Erhalt stimmt, dann ist dies eben auch ein Zeichen für fehlerhafte Planungen.

Und Fehler sollte man schnellstmöglich korrigieren.

Verweise:

Beitrag von Volker Perplies, Weiterveröffentlichung des Textes gestattet unter der Creative Commons License Creative Commons-Lizenz